Krieg und Frieden

Von Varda Hasselmann und Frank Schmolke

Krieg und Frieden
Die folgende leicht gekürzte Durchsage entstand anlässlich des Krieges in Jugoslawien 1994 und wurde in Hasselmann/Schmolke, Weisheit der Seele veröffentlicht. Die Aussagen sind von grundsätzlicher Art und daher hoch aktuell für die momentane Situation in der Ukraine und unsere mögliche Reaktion darauf.

Wir haben heute eine Frage, die sehr viele Menschen bewegt. Die Frage lautet: "Welchen Sinn hat der Krieg im ehemaligen Jugoslawien?"
Der Sinn aller Kriege, aller Auseinandersetzungen, aller Streitereien, aller Kämpfe lässt sich leicht erklären, wenn ihr euch an das Prinzip der Dualität als ein Prinzip menschlicher Existenz erinnert. Es gibt keinen Frieden ohne Krieg, es gibt keine Disharmonie ohne Harmonie. Wenn ihr aber fragt, wozu das gut sein soll, dass ein Krieg in Jugoslawien oder an irgendeinem anderen Ort der Welt, der euch vielleicht nicht so nahe und erschreckend erscheint, stattfindet, wenn ihr also fragt: "Wozu soll das gut sein?", dann antworten wir euch: "Sinnhaftigkeit ist jenseits von Gut und Böse".

Ihr fragt uns nach dem Sinn dieses Konflikts. Wir können euch zunächst einmal nur aus unserer Perspektive eine Antwort geben. Und wir sagen nicht: Wenn es einen Sinn hat, dann ist es auch gut. Wenn es einen Sinn hat, dann hat es auch eine Funktion für euer Zusammenleben, für euere Existenz, für die Existenz aller Menschen auf euerem Planeten, für die Existenz der jetzt Inkarnierten - aber auch für die Existenz der in Zukunft Inkarnierten.

Krieg und Frieden gehören zusammen. Streit und Einigkeit sind Aspekte ein und derselben Sache. Immer geht einem Krieg eine Unterdrückung von Aggressionen oder von Gewalt voraus, und ihr wisst, dass in den Gebieten, in denen jetzt der Konflikt zum Ausbruch gekommen ist, Jahrzehntelang alle Manifestationen explosiver Aggression unterbunden wurden durch ein totalitäres System, das alles bestrafte, was gegen es gerichtet war. Nicht vorher war Frieden und jetzt ist Krieg, sondern vorher war Unfrieden und jetzt wird der Konflikt, der damals entstanden ist, ausgetragen. Aber die Konflikte selbst sind noch sehr viel älter.

Einen anderen Aspekt wollen wir euch nahebringen, und das ist der Aspekt seelischen Wachstums. Jegliche Form kriegerischer Auseinandersetzung ist eine Möglichkeit für alle daran beteiligten Menschen, seien sie Täter oder Opfer, sich in bestimmten Situationen wiederzufinden, die sie mit ihrer größten Angst konfrontieren und ihnen in solchen Augenblicken eine Entscheidung für oder wider die Liebe abverlangen. Und auch wenn es euch zu Tode erschreckt, müssen wir euch sagen: Ganz gleich, wie die Entscheidung ausfällt, ob sie für oder wider die Liebe gefällt wird - wichtig ist, dass ein Mensch sich überhaupt entscheidet. Wichtig ist, dass eine Seele einen Entschluss fasst, der so oder so Konsequenzen haben wird.

Ihr seid so unendlich erschrocken über das, was jetzt im ehemaligen Jugoslawien passiert, was dort losbricht, was dort an Gewalt und Unrecht, Tod und Verderben über die Bevölkerung gebracht wird durch Täter und durch Opfer, durch Opfer, die Täter sind und Täter die Opfer sind, dass ihr kaum begreifen könnt, wie so etwas zustande kommen kann. Denn die meisten von euch, die sich jetzt angesichts der Konflikte auf die eine oder andere Weise erregen oder schuldig fühlen, oder auch in ihrem Mitleid angerührt sind, haben ganz ähnliche, wenn nicht identische Erfahrungen hinter sich.

Und für viele ist es noch nicht so lange her, wie sie glauben. Dass also Menschen sich
gegenseitig quälen und töten und misshandeln und verachten, ist eine notwendige Phase, durch die eine jede Seele im Laufe ihrer Inkarnationsreise hindurchmuss, um ihre Grenzen zu erfahren, um die Bandbreite ihrer Möglichkeiten in Angst und Liebe zu begreifen und um eines Tages eine Nähe zu erfahren, die nicht zustande kommen könnte, wenn nicht zuvor eine schmerzerfüllte Distanz hergestellt worden wäre.

Ihr mögt bereits erfahren oder gelesen haben, dass zwischen einem beliebigen Täter und seinem Opfer eine besondere Verbindung besteht. Wir sagen beliebig, weil wir nicht nur das Große meinen, sondern auch das Kleine, also die Beziehungen zwischen Partnern, die einander nicht wohltuen, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, die nach eurem Verständnis schädlich sind. Man mag sich noch so hassen, die Verbindung als solche kann nicht geleugnet werden. Sie ist um so enger, je stärker die Gefühle sind, die damit verbunden werden.

Wenn jetzt also - so nahe bei euch und doch scheinbar gefühlsmäßig so fern - die Hölle tobt mit all den Aspekten, die ihr traditionellerweise der Hölle zuschreibt, so bedeutet das aus unserer Sicht, dass jetzt und dort eine riesig große Gruppe von Seelen bereit ist, sich den in ihnen tobenden Energien zu stellen, und Entscheidungen zu fällen, die später ihren durchaus nicht nur negativen sondern auch positiven Lohn zeitigen werden. Denn eines dürft ihr nicht vergessen: Soviel Schlimmes, Entsetzliches und Böses jetzt dort auch geschieht, so gibt es doch ebenso viel Gutes, Hilfreiches und Rührendes! Ebenso viele Menschen wachsen dort, wo der Krieg seine Wunden schlägt, über ihre bisherigen kleinlichen Grenzen hinaus, sie helfen, wo sie früher niemals geholfen hätten, sie retten Leben, wo früher kein Anlass gewesen wäre, sie wenden sich einander zu, wo zuvor nur Distanz oder kritischer Abstand geherrscht hat.

Denkt also nicht nur an das Furchtbare, sondern denkt auch, was für Situationen einem Menschen hier geboten werden, um sich für eine positive Handlungsweise, ein Mitgefühl, eine Barmherzigkeit zu entscheiden, Möglichkeiten, die euch in diesem Leben in einem friedlichen Land, solange ihr euch darin aufhaltet, nicht geboten werden können.

Die Seelen, die jetzt in diesem Inferno ihr Werk tun - und wir wollen es weder loben noch verurteilen, sondern nur beschreiben - werden irgendwann die Früchte ernten. Und es ist wichtig, dass sie jetzt den Samen säen. Lasst also diejenigen, die ihr Werk tun müssen, um ihre Menschwerdung voranzutreiben, das tun, was sie tun müssen. Und tut ihr das, was ihr tun müsst, ein jeder für sich und auch alle gemeinsam innnerhalb einer Gemeinschaft, die sich aus den Zielen der Einzelnen ein neues Ziel baut.

Wenn ihr also den Impuls verspürt zu helfen oder einzugreifen, folgt diesen Impulsen. Fragt nicht nach Moral oder Unmoral, nach politischer Ratsamkeit oder nach eurem persönlichen Gewissen, das in der Regel gar nicht unmittelbar mit eurem Herzen in Verbindung steht, sondern fragt vor allem: Was möchte ich? Wonach ist mir zumute? Welche Impulse kommen aus der Tiefe meiner Seele?

Und wenn dieser Impuls heißt: "Ich kümmere mich nicht um das, was geschieht", dann ist auch dies in Ordnung, denn auch dieses ist eine Entscheidung.

Schön wäre es für euch und positiv aus unserer Sicht, wenn ihr diese Entscheidung, ganz gleich wie sie ausfällt, bewusst treffen könntet, denn Bewusstheit hat andere und bewegendere Auswirkungen als Unbewusstheit. Wenn es euch also wegzieht oder hinzieht, wenn ihr spenden wollt oder euch verschließen möchtet, wenn ihr euch abwendet von den Gräueln oder hinwendet, für das Große Ganze ist es gleich. Der eine von euch wird sich hinwenden, der andere wird sich abwenden. Das ist ein Ergebnis seiner individuellen seelischen Geschichte. Der eine wird Angst haben, der andere wird Mut haben. Mut ist nicht besser als Angst, Angst nicht schlechter als Mut. Eine sehr alte Seele wird sich ein wenig müde anderen Themen zuwenden, eine jüngere Seele oder eine reife Seele wird sich gefordert fühlen, Stellung zu beziehen.

Verurteilt nicht die, die anders denken oder anders handeln als ihr. Das gilt für euch in eurer unmittelbaren Umgebung, aber auch für jene, die dort leben und handeln und kämpfen und morden, wo sie sind. Verurteilt nicht, was der Einzelne tut, verurteilt auch nicht euch selbst. Das ist auch Gewalt, das ist Aggressivität, die unausweichlich zu einem nächsten Konflikt in euch oder außerhalb von euch führen muss. Allerdings, und das sagten wir schon, geht es nicht darum, Konflikte zu vermeiden, es geht vielmehr darum, fähig zu sein, einen Konflikt zu ertragen, der sein muss, einen Streit auszufechten, der die Atmosphäre bereinigt und einen Krieg zuzulassen, der notwendig ist für einen Frieden, der auch euch zugutekommen wird, jetzt oder in euren nächsten Inkarnationen.

© SEPTANA Varda Hasselmann und Frank Schmolke