Das Heilige

Durchsage der Quelle

auch in "Weisheit der Seele", S. 417 ff

Wir lesen immer wieder, dass das Zentrale der Religion oder Religiosität das "Heilige" ist, was manchmal auch das "Numinose" genannt wird. Wir würden gerne besser verstehen, was das eigentlich ist.

Um zu euch über das Heilige sprechen zu können, müssen wir zunächst eine Unterscheidung vornehmen zwischen dem objektiv Heiligen und dem subjektiv Heiligen. Unter objektiv verstehen wir nichts Absolutes. Um der Begriffsklärung willen bezeichnen wir damit alle Gegenstände, Handlungen und Gefühle, die von den Religionen und ihren priesterlichen Vertretern den Gläubigen offiziell angeboten oder verordnet werden. Dazu gehören auch Feiertage und Rituale wie Taufen, Initiationsriten, Sterberituale und die Dogmen der verschiedenen Religionsgemeinschaften.

Eure Frage aber zielt auf das subjektiv Heilige hin und über dieses wollen wir zu euch sprechen, denn das objektiv Heilige ist eine Ableitung aus diesem Subjektiven.

Am Ursprung des Heiligen steht eine besondere Qualität menschlichen Erlebens. Es handelt sich um das Ergriffensein, das dann entsteht, wenn zugleich das emotionale Chakra (Energie 1) und das ekstatische Chakra (Energie 6) aktiv sind und von Energien berührt werden, die von innerhalb oder von außerhalb des Personalen herrühren können. Wenn also das Herzzentrum und das Scheitelzentrum gleichzeitig spontan und unvermutet geöffnet sind, empfindet der Mensch das Ereignis als heilig.

Dabei kommt es zunächst einmal nicht darauf an, wodurch eine solche Empfindung, ein solches energetisches Ereignis ausgelöst wird, denn die Auslösung kann sowohl durch eine ganz persönliche, fast banal erscheinende Erinnerung oder auch durch die Berührung mit transpersonalen Energien geschehen. Die Bandbreite der Gefühle und Gegenstände, der Ereignisse und Energien ist vielfältig. Sie hängt von der kulturellen Eingebundenheit eines Menschen ebenso ab wie von seiner individuellen Gestimmtheit, von seiner psychischen Bereitschaft ebenso wie von seinem Seelenalter.

Wenn das emotionale Energiezentrum zugleich mit dem ekstatischen Zentrum angerührt wird und sich öffnet, gerät ein Individuum in einen Zustand der Empfindung, der in seiner Reinheit und Ungebrochenheit keinem anderen physischen Zustand vergleichbar ist. Die Funktionen des Verstandes mit seiner Tendenz zur Beurteilung und Einordnung sind ausgeschaltet. Die übrigen körperlichen Funktionen werden nicht mehr kognitiv wahrgenommen. Aus diesem Grunde sind die angedeuteten Ausnahmezustände nicht von Dauer und können es nicht sein.

Aus dem Gesagten könnt ihr bereits entnehmen, dass es sich bei dem Empfinden von Heiligkeit um eine Erlebnisqualität auf der Inspirationsebene handelt, die aus der Verschmelzung der Energien 6 und 1 herrührt. Diese Qualität kann auch als ekstatisch/emotional beschrieben werden.

Unsere Worte und Erläuterungen mögen euch zunächst ein wenig dürr erscheinen, denn ihr mögt bei einer Rede über das Heilige erwarten, dass ihr in einen dem Beschriebenen entsprechenden Zustand geratet. Wer vom Heiligen hört oder über das Heilige spricht, kann dies - soweit er einen menschlichen Körper bewohnt - nur in überzeugender Weise tun, wenn zugleich sein Herzzentrum und sein ekstatisches Zentrum wenigstens angerührt sind. Doch wollen wir noch davon Abstand nehmen, euch in dieser Weise anzurühren und eure Emotionen ins Spiel zu bringen um der Sache willen, damit ihr besser verstehen könnt, was wir als eine nicht-körperliche Wesenheit, die das Heilige nur aus der Erinnerung kennt, zu dieser Analyse beitragen können.

Das Ergriffensein durch das Empfinden von Heiligkeit ist eine Reaktion und kann nur mit Hilfe der Aktivierung eines zeitlich begrenzten, ungewöhnlichen Reaktionsmusters beschrieben werden. Wir hingegen agieren nur noch, wir reagieren nicht mehr. Dies ermöglicht uns, euch die Frage aus einer nicht-ergriffenen Position zu beantworten. Denn wären wir ergriffen, könnten wir uns nicht zugleich mitteilen.

Während der Öffnung und energetischen Aktivität der zwei genannten Chakren sind die Verstandeskräfte außer Kraft gesetzt. Das Bewusstsein erlebt eine tiefgreifende Veränderung und dies führt dazu, dass das Zeitempfinden von einer kausalen Reihung auf eine synchrone Ebene gehoben wird. Die Synchronizität als Gleichzeitigkeit ist ebenfalls eine Funktion von Zeit. Sie hebt Zeitlichkeit nicht auf - stellt aber die wahrgenommenen Ereignisse und Zusammenhänge in eine andersartige Abfolge und schreibt ihnen eine Bedeutung zu, die sie in der kausalen Reihung oder Beziehung nicht haben können.

Obgleich also das Zeitempfinden nicht aufgehoben ist, denn dies würde eure Menschlichkeit aufheben, ist doch das Zeitempfinden so tiefgreifend verändert, dass ihr es wie einen Hauch von Zeitlosigkeit erfahrt. Diese Empfindung einer Sprengung der Zeitgrenzen erinnert den solchermaßen Ergriffenen an die wahren Dimensionen der Zeitlosigkeit, in denen seine Seele beheimatet ist. Deshalb glaubt ihr, den Hauch des Göttlichen zu spüren und tatsächlich ist es so, dass das göttliche Prinzip euch niemals inniger und unmittelbarer berührt als in solchen Augenblicken.

Das außergewöhnliche Reaktionsmuster mit seiner Verbindung der Energien 1 und 6 dient nicht wie die üblichen Reaktionsmuster dem physischen Überleben, sondern dem Brückenschlag zu nicht-physischen Welten. Durch diesen Brückenschlag verbindet sich das begrenzte menschliche Bewusstsein mit der grenzenlosen kosmischen Bewusstheit.

Die Bedeutung, die ihr den auslösenden Faktoren einer solchen Empfindung zuschreibt, ist subjektiv, zuweilen sogar beliebig. Denn alles ist heilig, wenn ein Mensch es als solches empfindet. Alles wird heilig, wenn es aus der Verbindung des Herzchakras mit dem Scheitelchakra wahrgenommen wird.

Von unserer Perspektive aus betrachtet gibt es nichts Unheiliges. Doch setzen wir nicht voraus, dass ihr Menschen dies ebenso erfahren könnt. Für euch muss das mit dem Heiligen verbundene Erleben selektiv sein und für Ausnahmezustände vorbehalten bleiben. Allerdings sind den auslösenden Faktoren keine objektiven Grenzen gesetzt, obgleich die Vertreter eurer Religionen dieses gerne vorschreiben möchten.

Es ist gleichermaßen gültig unter dem Aspekt der subjektiven Heiligkeit, ob eure Chakren oder Energiezentren sich beim Gebären eines Kindes, beim Anblick eines schönen alten Baums, beim Gebet in einer Kirche, beim Opfern in einem Tempel, in der Meditation oder beim Betrachten eines persönlichen Gegenstands öffnen. Ihr könnt das Heilige subjektiv empfinden als ein euch durchströmendes Wohlgefühl an sogenannten heiligen Orten, bei der Verehrung sogenannter heiliger Menschen oder bei der Anbetung sogenannter Gottheiten.

Das Heilige kann euch überkommen bei der Betrachtung eines geliebten Menschen ebenso wie bei einem Unwetter, das ein ergreifendes Naturschauspiel darbietet oder beim Erleben einer Katastrophe, die euch zeigt, wie begrenzt eure menschlichen Planungen und Kontrollen sein können.

Für das Empfinden subjektiver Heiligkeit gibt es weder Vorschriften noch Tabus. An anderer Stelle haben wir bereits erläutert, dass kultischen Objekten oder Handlungen eine Heiligkeit durch die Bewegtheit, das Angerührtsein und die Gläubigkeit der Menschen erzeugt wird. Heiligkeit ist in einem umfassenden Sinn ein Energiephänomen und keine faktische Eigenschaft. Was dem einen heilig ist, kann dem anderen profan sein.

Wenn aber ein Mensch sich in der Weise, die wir beschrieben haben, angerührt fühlt, und diesem Angerührtsein eine Bedeutung zuschreibt, die ihm persönlich und seinem Erleben einen neuen Sinn gibt, hat sich etwas Entscheidendes vollzogen.

Sind viele Menschen simultan von demselben oder einem ähnlichen Gefühl ergriffen und sind sie gleichermaßen angerührt von der Zeichenhaftigkeit eines Geschehens, so wird das Erleben und das, was dieses Erleben ausgelöst hat, als heilig verstanden. Je näher Menschen mit ihren heilerischen und priesterlichen Energien vereint und ergriffen sind, umso mächtiger wirkt auf sie die Heiligkeit des Gegenstands oder Vorgangs. Die kollektive Erfahrung bleibt unvergesslich, wird festgehalten, verankert sich im kollektiven Gedächtnis und der Geschichte. Dadurch entsteht ein Übergang zur Bildung von objektiven Dogmen, Glaubensinhalten und religiösen Ritualen, die an ursprünglich heiligmäßige Ereignisse gemahnen.

Doch wird dieses Heiligmäßige nur dann erneut heilige Energie erzeugen, wenn es Menschen gibt, die während der Beiwohnung an einer kultischen Handlung wiederum aufs Neue ergriffen und angerührt werden. Das Ausmaß nun einer solchen Berührtheit und Ergriffenheit ist unterschiedlich. Es kann von einer Bewegtheit oder einem Gerührtsein bis hin zur ekstatischen Entrücktheit und Ohnmacht reichen.

Das entscheidende Erlebnis kann als eine Entgrenzung und Vereinigung zugleich verstanden werden. Ein Mensch, der Heiligkeit verspürt, erkennt mit einer Einsicht, die jenseits seines Verstandes liegt, dass Heiligkeit auch ihn selbst umfasst und ihn dadurch an die Heiligkeit des Allganzen anbindet. Ein von Heiligkeit Ergriffener wird mit sich selbst ganz eins und sprengt damit momentan die Grenzen zu seinen transzendenten Dimensionen.

Die Seele begreift sich selbst als Fragment des großen Ganzen. Sie erkennt zugleich ihre Endlichkeit und ihre Unendlichkeit, ihr Kleinsein und ihr Grosssein. Menschlichkeit und Göttlichkeit verschmelzen. Die Wahrheit des menschlichen Seins und der eigenen Existenz wird auf unauslöschliche Weise offenbar.

Das Heilige
Dauer: 20:31 min | Sprecher: Frank Schmolke