Krieg und Frieden - 1. Durchsage

Von Frank Schmolke, Januar 2024

Friedlichkeit und Gewalt

Wir möchten heute eine Frage dazu stellen, warum in unserer Gesellschaft zunehmend mehr Gewalt herrscht. Wir sehen sehr viel Gewaltdarstellung in Film und Fernsehen, aber wir spüren auch ein gewalttätiges Umgehen zum Beispiel mit den alten Menschen bei uns. Warum nimmt das so zu?

Gewalttätiges Handeln und das Erleiden von Gewalt ist eine Grundkomponente menschlicher Existenz. Und diese Grundkomponente wurde in früheren Jahrhunderten oder Jahrtausenden als eine grundsätzlich gültige, notwendige und wichtige Seite der Wirklichkeit anerkannt. Sie wurde kanalisiert durch Rituale, vor allem aber wurde die Energie, die in diesem stets vorhandenem Potential von Gewalttätigkeit geborgen ist, kanalisiert durch eine konstante Auseinandersetzung mit äußeren Feinden, durch Krieg und Kriegsspiele, durch das Selbstverständnis der meisten lebenden Menschen als Angreifer und Verteidiger, und wenn es einem Menschen gestattet ist, seine Gewalttätigkeit in einem geordneten Rahmen zu leben, wird er sie nicht in einem chaotischen Verhalten erleben müssen. Sie wird ihn nicht überkommen, weil er weiß, dass er ein ritualisiertes, autorisiertes und von Schuld entlastendes Ventil für sie besitzt.

Der Gegenpol zu Gewalt ist Friedlichkeit. Und nachdem durch mehrere große weltumspannende Kriege der Pol der Gewalt in extremem Maße betont wurde, entstand weltweit ein ebenso extremes Bedürfnis nach Friedfertigkeit, das auch zu einem hohen Ideal entwickelt wurde, ohne zu bedenken, dass es sich bei dieser Friedfertigkeit, bei dieser Sehnsucht und bei diesem Anspruch auf ewigen Frieden um eine ebenso unnatürliche Schwingung von Energie handelt wie bei einem ewig andauernden Krieg.

Was dem Menschen gemäß ist, ist die Mischung. Ebenso wie jeder einzelne in sich das Licht und den Schatten, das Gute und das Böse, das Friedliche und das Gewalttätige birgt, verhält es sich auch mit Gesellschaften, Völkern und Nationen. Wenn nun eine Gesellschaft, ein Volk, eine Nation den Frieden will, und immer mehr und längeren Frieden will, muss sich die Gewalttätigkeit von Individuen ihren Weg bahnen.

Es ist, im energetischen Sinne gesprochen, nicht natürlich, dass länger als etwa 30 Jahre lang, d.h., die Zeit die ein Mensch braucht, um einigermaßen erwachsen und selbstverantwortlich zu werden, Friede herrscht. Und wenn diese 30 Jahre vergangen sind, wächst eine Generation nach, die nichts mehr von Gewalt weiß und sie deshalb neu entwickeln und erkunden muss.

Alle Länder auf eurem Planeten, in dieser Zeit, in der ihr fragt, die das Friedfertige zu ihrem Ideal und den Frieden zu ihrem Ziel und zu ihrem Zustand erklären, erleben, wie dieser äußere Friede ihnen eine innere Friedlosigkeit beschert, wie die Gewalt im Kleinen die Gewalt im Großen ablöst. Wo aber eine Nation einen Feind besitzt und ständig in Alarmbereitschaft steht, um ihn nach außen abzuwehren, wo also Krieg oder militärische Hochspannung das Erleben und den menschlichen Alltag prägt, wie zum Beispiel in Israel, um euch nur einen kleinen Hinweis zu geben, da existiert unter den Menschen, die nicht in Kriegshandlungen verwickelt sind, viel mehr Friede, es gibt weniger Misshandlungen, weniger scheinbar unmotivierte Morde, weniger Missbrauch und weniger Gleichgültigkeit, die stets in Lieblosigkeit mündet.

Wir sagen nicht und bitten euch dies zu begreifen, dass das eine besser ist als das andere. Wir versuchen euch ein Phänomen zu beschreiben, das universell gültig ist, und zum Menschen gehört. Da es sich um ein Energiephänomen innerhalb der physischen Welt handelt, unterliegt die Anwendung oder das Unterlassen von Gewalt ebenso den polaren Spannungen wie alles Andere, das euch beherrscht. Wenn nun, wie es in Europa seit dem 2. Weltkrieg vornehmlich der Fall ist und allenthalben gefordert wird, eine Sehnsucht und ein Ruf nach andauerndem Frieden entsteht, braucht ihr euch nicht zu wundern, dass wenigstens in euren Ersatzhandlungen so viel Gewalt an der Tagesordnung ist. Wer seine eigene Gewalttätigkeit aus ideologischen Gründen nicht leben darf, sie wohl aber spürt und sie in irgendeiner Form aktivieren muss, um sich wohlzufühlen, braucht zumindest die Möglichkeit, die Gewalttätigkeit anderer - und sei es nur auf dem Bildschirm - zu erleben, um sich mit ihr in Verbindung zu bringen.

Je mehr - und wir wissen dass diese Aussage euch zutiefst erschrecken muss - je mehr Menschen also inneren und äußeren Frieden anstreben und auf jegliche Gewaltanwendung verzichten - und damit tun sie sich unbewusst selbst Gewalt an - umso mehr zwingen sie andere, die nicht über dieselbe Selbstkontrolle verfügen und nicht dieselben hehren Ideale pflegen, ihre Gewalt zu leben. Die nichtaktivierte, verdrängte und als böse abgestempelte Macht, die solche Energien bewegt und die jeder Mensch qua seiner Existenz in sich trägt, wird an diejenigen delegiert, die sich weniger wirksam beherrschen und abgrenzen können.

Die Befürchtung und auch die Beobachtung, dass Gewalt in Film und Fernsehen das Gewaltpotential der Zuschauer anregt und löst, ist ganz gewiss berechtigt. Gelöst werden kann aber nur, was vorhanden ist. Wir möchten damit nicht behaupten, dass es sich um einen idealen Zustand handelt, weit davon entfernt. Doch wird auf dem Bildschirm der Friede und die Gewaltlosigkeit erst wieder eintreten, wenn ein äußerer Feind mit Waffen bekämpft werden kann und wünscht ihr euch denn dieses? Es ist nicht sehr lange her, kaum mehr als 50 Jahre, dass alle Medien - auch die Literatur - vorwiegend das Idyllische, Friedliche, Rührende und Edle thematisierten. Was ist aus denen geworden, die sich solches zum Vorbild nahmen?

Frage: Ihr selber bezeichnet diesen Zustand nicht als ideal. Wir verstehen, dass das Gesetz der Pulsation einfach herrscht, aber ihr habt auch angedeutet, dass es Kanalisierungsmöglichkeiten gibt. Gibt es Optimierungsmöglichkeiten unseres Zustandes in Richtung auf neue Kanalisationstechiken oder was könnten wir unter Umständen verbessern?

Wenn ihr euren Blick von der Idealität auf die Realität menschlichen Seins richten könntet, und diese Perspektive mehr und mehr an euch heranlasst, müsstet ihr euch nicht so häufig mit extremen ideologischen Überformungen der Realität plagen. Aber wir wissen, wenn wir euch diese Antwort geben, dass wir dies aus einem Blickwinkel betrachten, der nicht der eure ist. Ein wenig kann es helfen, aber der Mensch, auch wenn er seine Realität lebt, ohne sie als solche zu erkennen, ist kein Wesen, das nur in der Realität lebt. Auch das Erschaffen von Idealen und das Leben im Rahmen von Ideologien gehört zu seinem Menschsein. Und du fragst, wie können wir das Gefüge von Krieg und Frieden, von Gewalt und Sanftmut optimieren?

Wir müssen darauf antworten: Es geht nicht um Optimierung, sondern um Erfahrung. Und um den Bereich der Erfahrung noch einmal zu verdeutlichen, erinnern wir euch daran, dass auf einem Planeten, der in erster Linie von jungen Seelen in ihrer vollen Kraft bevölkert wird, die Notwendigkeit in noch breiterem Rahmen besteht, karmische Schuld auf sich zu laden, um sie hernach, in einigen hundert oder tausend Jahren, wieder auflösen zu können. Diese Realität ist am weitesten aus eurem Bewusstsein entfernt und prägt deshalb am stärksten eure unbewussten Handlungen. Nur diejenigen, die bereits über dieses Stadium hinausgewachsen sind, schwärmen vom Frieden, schwärmen von Gewaltlosigkeit. Sie haben die Gewaltanwendung hinter sich. Sie sind ihr nicht mehr untertan, sie stehen nicht mehr in demselben Maße unter dem Gesetz des Handlungszwangs, aber darum besteht noch lange kein Grund, diejenigen zu verachten, die sich noch im Rahmen dieser Gesetzmäßigkeit bewegen.

Tut ihr das, was für euch gut und richtig ist, und das ist u.a. die Betrachtung eures Schattens, die Betrachtung eures eigenen Potentials, und seid dankbar, dass ihr es nicht mehr ausleben müsst. Seid auch denen dankbar, die es für euch tun, denn dadurch seid ihr freier davon, und verstellt nicht euren Blick und denkt, nur das, was Blut und blaue Flecken hervorruft ist Gewalt. Gewalt nimmt viele subtile, scheinbar nicht gewalttätige Formen an. Und mit denen seid ihr wohl vertraut und ihr werdet sie erkennen, wenn ihr den Mut habt, sie zu betrachten.

Frage: Eure Erklärungen hinterlassen ein Gefühl davon, dass durch uns nichts zu ändern ist, dass wir eigentlich nur uns selbst beobachten können, und dass das das Zentrale für uns ältere Seelen dabei ist.

Der Versuch, grundsätzlich an dieser Form der Pulsation etwas zu ändern, ist zum Scheitern verurteilt. Ein anderer Versuch, nämlich die Gewalttätigkeit der scheinbar gewaltlosen Ideen und Methoden der Erziehung und der Prägungen der Selbstkontrolle und der moralischen Strenge anderen gegenüber als solche zu erkennen, ist von großem Gewinn.

Wir haben einmal gesagt: Wer sich zwingt, liebevoll zu denken und zu handeln, tut sich Gewalt an. Wer einen anderen zwingt, etwas zu tun, wonach ihm nicht ist und ihn deshalb zum Heuchler erzieht, tut ihm Gewalt an, im Namen der Liebe und im Rahmen der Erziehung. Wir möchten nicht an dieser Stelle in die Einzelheiten einer solchen Haltung gehen, sondern euch nur einen Blick durchs Fenster eurer Selbstverständlichkeiten tun lassen, und euch damit einen Weg weisen, wie ihr eure Bewusstheit von der menschlichen Seinsqualität erhöhen könnt, ohne die Realität eurer Existenz mit ihren unabänderlichen Bedingungen zu leugnen oder zu stören.

Und zum Abschluss greifen wir noch in diesem selben Sinne einen Ausschnitt eurer Wirklichkeit auf, der zwar im Verhältnis zu dem was wir bereits angesprochen haben klein ist, und von untergeordneter Bedeutung scheint, euch jedoch das illustrieren wird und als Wahrheit kenntlich macht, was wir mit dem großen Gedanken, den wir euch vorgestellt haben, meinen.

Gewalt gegen alte Menschen, Misshandlung und Missachtung ist eine Reaktion auf zweierlei eure Zeit prägende Vorstellungen. Die eine ist, dass ein Mensch, der einen alten Menschen betreut oder pflegt oder versorgt, diesem immer und stets ohne Unterlass mit Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit, Hingabe und Verständnis begegnen muss, sonst ist er nicht in Ordnung.

Die Gesellschaft stellt diesen Anspruch an die Pflegepersonen und die Pflegepersonen stellen ihn an sich selbst und sie leiden an Schuldgefühlen, an schlechtem Gewissen jedes Mal, wenn sie sich auch nur bei einem aggressiven, verächtlichen oder gewalttätigen Gedanken ertappen. Sie glauben, sie können ihren Notwendigkeiten und Ansprüchen nicht gerecht werden, ihre Aufgabe nicht erfüllen, wenn auch nur der geringste Verdacht auf Aggressivität des Tuns oder Fühlens besteht.

Und weil nun so viele Impulse, die natürlich, verständlich und logisch sind, unterdrückt werden - denn alte Menschen sind keine Engel, sie waren es nicht als junge Menschen sie sind es nicht im Alter - deshalb entsteht am Ende einer längeren Periode von Selbstkontrolle und Selbstüberschätzung ein Bedürfnis nach Gewalt. Das ist der eine Bereich.

Der andere geht vom alten Menschen selbst aus und von seiner Perspektive auf die Welt. Die Anspruchshaltung, die von ihnen ausgeht als Träger eines großen Teiles der Gesellschaft, geschont zu werden, umsorgt und gepflegt zu werden, geliebt zu werden, ganz gleich, was sie hinter sich haben und hinter sich lassen, erregt bei denen, die sie versorgen müssen, und keinen Ausweg finden, einen starken Widerwillen, der sich bis zur flammenden Wut steigern kann.

Wenn hingegen die jüngere Generation nicht aus einer entsprechenden Friedensideologie heraus gezwungen ist, alte Menschen zu lieben und wenn alte Menschen nicht als selbstverständlich erwarten, dass jüngere Menschen sie lieben und versorgen, sondern es sich wünschen oder auch in Kauf nehmen, wenn es nicht aus Liebe geschieht, dann ist es einfacher. Und es gab Zeiten, wo dies auch der Fall war. Aber in jenen Zeiten gab es prozentual gesehen viel weniger alte Menschen, also auch viel weniger Menschen, die versorgt werden mussten oder die sich in ihrem Wesen, in ihrem Charakter keineswegs besserten, nur weil sie alt wurden.

Es handelt sich hier um ein großes und komplexes Thema, das wir nicht ausführlich behandeln können, und das bei euch viele neue Fragen aufwerfen wird. Für dieses Mal sei genug gesagt. Es wird euch auf die eine oder andere Weise zu denken geben und es wird euch einige Vorstellungen in Frage stellen, die ihr mit euch herumgetragen habt, ohne sie jemals in Frage zu stellen.

Krieg und Frieden - 1. Durchsage
Dauer: 22:42 min | Sprecher: Frank Schmolke