Wissenschaft

Von Gerd Röcke

Zeitgemäßes Verständnis von Wissenschaft

Plädoyer für eine Seelenwissenschaft

Meines Erachtens befinden wir uns inmitten einer Zeitenwende, die tiefgreifende Paradigmenwechsel mit sich bringt. Das betrifft auch unsere Ansichten, was wir unter Wissenschaft verstehen. Das Wissenschaftsverständnis der letzten Jahrhunderte ist überwiegend ein „materialistisches“. Es ist dieses materialistische Weltbild, das die globale, zerstörerische Wirkung von wissenschaftlichen Errungenschaften mitverursacht. So ist es wichtig anzuerkennen, dass eine materialistische Wissenschaft auf Glaubenssätzen beruht 1

Die Materie ist die einzige Realität, es gibt kein vom Körper unabhängiges Bewusstsein, überall im Universum gelten die auf der Erde bekannten physikalischen Naturgesetze und es existiert nichts Übersinnliches von Bedeutung.

Wir, die wir uns für die Erforschung der seelischen Welten interessieren, sind uns hier wahrscheinlich einig: Weit gefehlt! Die moderne Wissenschaft – und damit meine ich nicht die vielen Forscher, die bereits synthetisch und ganzheitlich arbeiten und damit das kommende Zeitalter vorbereiten – hat per Definition einen Großteil der kosmischen Realität ausgeklammert.2 Das gilt für mich nicht nur für die Natur-, sondern auch für die Geisteswissenschaften.

Risi fordert daher: „Wissenschaft, Esoterik und Theologie müssen sich zu einem Dreieck der Erkenntnis ergänzen, das heißt sich gegenseitig bereichern, aber auch stützen und sich gegenseitig kontrollieren.“ 3 Er nennt es spirituelle Forschung, wenn es gelingt, wissenschaftliche Einseitigkeit, esoterische (okkulte) Halbwahrheit und religiösen Dogmatismus zu überwinden. Eine ganzheitliche Wissenschaft - zusammen mit praktischer Anwendung dieses Wissens -, die nichts ausschließt, sondern das Materielle als auch das Spirituelle umfasst, ist für eine friedlichere, harmonischere Welt zielführend. Die Zeit dafür ist reif!

Die Phänomene Geist, Bewusstsein und Seele entziehen sich dem Zugriff der materialistischen Wissenschaft. Diese erforscht das Beobachtbare. Können daraus objektive Erkenntnisse gewonnen werden?: Zweifelhaft, wie die Quantenphysik gezeigt hat: Das Doppelspaltexperiment (Licht: Teilchen oder Welle) macht sichtbar, dass das Beobachtete mit dem Bewusstsein des Beobachters korreliert. Im Sinnlichen, Beobachtbaren waltet das Geistige, das mit den Mitteln der Naturwissenschaft nicht erkennbar ist.4

Was führt also zu einer so dringend benötigten, umfassenderen Wissenschaft und Wahrheitsfindung?

Manche Forscher betrachten Wissenschaft letztlich als einen inneren Vorgang, als eine willentliche Arbeit an sich selbst, am eigenen Charakter, am eigenen Denken und an der eigenen Wahrnehmung. Es ist ein Akt des Wieder-Ent-Deckens von etwas, das Entfernen von inneren Bedeckungen, die die Sicht des Menschen von der Ganzheit behindern. Geistige Schau, anschauende Urteilskraft oder unmittelbare Anschauung haben Goethe, Nietzsche oder Steiner es genannt. Es geht darum, unser Bewusstsein zu erweitern, um das Ziel aller Wissenschaft klar zu haben: Das zunehmende Erkennen der Realität Gottes, des Allganzen, des Tao, des Urgrund allen Seins. Der Mensch hat die Fähigkeit, mittels Instinkt, Intuition und Inspiration Wahrheiten im Inneren (wieder) zu finden.

Was dann geschieht, nennt Risi subjektiv verifiziertes objektives Wissen: „… wir haben erkannt, was andere schon lange vor uns erkannt haben. Ein modernes Beispiel sind Nahtoderfahrungen: Wir können Bücher über Nahtoderfahrungen lesen, aber wenn wir selbst eine außerkörperliche Erfahrung machen, ist dies etwas ganz anderes als jedes gehörte und übernommene Wissen. Durch eine solche Verifizierung erkennen wir, dass der Kosmos multidimensional ist und das Bewusstsein nicht bloß ein materieller Faktor ist.“ 5

Es ist, wie es das Höhlengleichnis beschreibt. Was Platon idèa nannte und missverständlich als Ideenlehre bezeichnet wurde, sind die objektiven Wahrheiten, die jeder Mensch subjektiv für sich erkennen muss. Die platonische Schule, die dies lehrte, wurde – erstmalig - Akademie genannt. Echte Akademiker würden also nie ein materialistisches Weltbild vertreten.

Herzlich willkommen in der Seelenakademie, in der Seelenwissenschaft!

Rudolf Steiner hat vor rund 100 Jahren den Begriff Seelenwissenschaft geprägt und wissenschaftstheoretisch erläutert. Allerdings hat er das Forschungsfeld der seelischen Realitäten, ihrer Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten kaum angefüllt, er bleibt bei Methodik und wenigen Andeutungen.

Insofern hat nun die Seelenlehre von Hasselmann und Schmolke meines Erachtens die Seelenwissenschaft offiziell eröffnet, in dem sie dieses Forschungsfeld mit umfangreichen und sehr konkreten Informationen gefüllt hat.

So können nun all diejenigen, bei denen dieses Wahrheitsangebot auf eine innere Resonanz stößt, zielgerichtet überprüfen, ob diese vielen Informationen mit ihrer inneren – subjektiven oder objektiven – Wahrheit übereinstimmen.

Es ist an der Zeit, neue Erkenntnisquellen wissenschaftlich anzuerkennen und zu nutzen, solche aus z.B. hochwertiger Medialität, aus geistiger Schau und höheren Bewusstseinszuständen. Die Anzahl der Menschen, die Zugang zur Transzendenz haben, zu den feinstofflichen und geistigen Welten, wächst enorm, und damit wachsen auch die Erfahrungs- und Vergleichswerte. Schön ist zudem, dass diverse Aspekte der Seelenlehre empirisch erforscht werden können. Wir laden herzlich ein, dazu beizutragen.


1  Vgl. für den gesamten Artikel: Armin Risi: Gott und die Götter (die prophezeite Wiederkehr des vedischen Wissens), Kapitel 1 sowie Rudolf Steiner: Seelenwissenschaft, S. 13 - 47
2  Einstein sagte: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“ Albert Einstein, „Naturwissenschaft und Religion“ (1941), in: Aus meinen späten Jahren, S. 26
3  Armin Risi: Gott und die Götter, S. 21
4  Ein Vergleich der Farbenlehre von Newton und Goethe kann hilfreich sein.
5  Armin Risi: Gott und die Götter, S. 39f