Die ökologische als spirituelle Krise

Von cer, März 2023

Das Thema Zeitenwende möchte ich gerne in Beziehung setzen zu den sehr konkreten biologischen und physischen Veränderungen, die wir derzeit auf der Erde erleben: Es sind ja die Klimakrise und kollabierenden Ökosysteme, die Erdbeben und Naturkatastrophen genauso wie die Kriege, durch die sich diese Wende vollzieht. Schaut man sich die wissenschaftlichen Fakten zum Zustand und den Folgen der Naturzerstörung und des Klimawandels an, kommt man nicht umhin, sie als genau die „starken Impulse, heftigen Signale und Ereignisse“ zu verstehen, die es braucht, um eine „Bewusstseinsveränderung, ein Erwachen, herbeizuführen.“ (siehe Jahresdurchsage 2023)

In der Durchsage ist die Rede von einem „Höhepunkt der Separation, des Getrenntseins“ auf dem wir uns befinden. Aber was ist überhaupt mit Separation gemeint, was sind ihre Ursachen und Folgen? Seit ich mich mit den Wurzeln der Naturzerstörung beschäftige, ist es genau diese Getrenntheit, die mir auf allen Ebenen begegnet, ob in wissenschaftlicher Fachliteratur, der Seth-Philosophie oder der Seelenlehre. Sie begründet im Kern unseren zerstörerischen Umgang mit der Erde und allen anderen Lebewesen und durchdringt nahezu alle Lebensbereiche.

Unsere Beziehung und Verbindung mit der Natur ist demnach der Schlüssel zum Verständnis – und zur Überwindung – dieses Zeitalters der Separation. In der künstlichen Aufteilung zwischen Spiritualität und Biologie, zwischen Geist und Materie, Mensch und Natur liegt die Wurzel der ökologischen und klimatischen Katastrophe. Sie zu erkennen und wieder aufzulösen ist die Lektion, die für den Eintritt in eine wie auch immer geartete „neue Zeit“ gelernt werden will. Sie ist sozusagen der Scheitelpunkt der Zeitenwende.

Es ist diese Weltsicht der Trennung, welche es ermöglicht hat, über die Hälfte der lebendigen Biomasse des Planeten in tote Infrastruktur und Konsumgüter zu verwandeln und das globale Klima so drastisch zu destabilisieren. Beginnend im 16. Jahrhundert mit der Kolonialzeit und dem Genozid an der indigenen Bevölkerung Süd- und Nordamerikas erreicht unsere Entfremdung von der natürlichen Welt heute ihren vorläufigen Höhepunkt. Auf dem Weg dahin haben wir so tiefgreifende globale Dynamiken in Gang gebracht, die entsprechend geeignet sind, uns angesichts des enormen Verlusts und Leids, die sie mit sich bringen, die Augen zu öffnen.

Die Ursachen für den ökologische Kollaps sind also im Kern spiritueller Natur, die ökologische eine spirituelle Krise. Die Menschheit, so heißt es im Seth-Buch „Das Individuum und die Natur von Massenereignissen“, befindet sich in einem Stadium des Wandels, „welcher begann als die Spezies versuchte, sich von der Natur zu entfernen, um das einzigartige Bewusstsein zu entwickeln, das gegenwärtig das eure ist. (…) Auf diesem Weg wurden künstliche Aufteilungen gemacht, denen man sich jetzt entledigen muss. Als weisere Geschöpfe müsst ihr zur Natur zurückkehren, die euch hervorgebracht hat – nicht einfach als liebevolle Verwalter, sondern als Partner der anderen Spezies auf der Erde. Ihr müsst die Spiritualität eures biologischen Erbes wiederentdecken.“ (S. 55).

In „Die Natur der persönlichen Realität“ heißt es: „Naturkatastrophen enthalten in sich die große stürmische Energie entfesselter Kräfte einer Natur, die der menschlichen Disziplin entwichen ist und sie erinnern den Menschen gerade wegen ihrer Eigenschaften an seine eigene Psyche; denn auf ihre Weise bedeuten solche tiefgreifenden Ereignisse immer auch die Geburt von Kreativität, emporsteigend aus den Eingeweiden der Erde, Land und Leben der Menschen verändernd. (..) Je „zivilisierter“ der Mensch wird, desto mehr entfernen ihn seine Gesellschaftsstrukturen und -bräuche von seiner tiefen Beziehung zur Natur – und desto mehr Naturkatastrophen wird es geben, denn unterschwellig spürt er sein großes Bedürfnis nach Identifikation mit der Natur; er wird sich selbst in Erdbeben, Tornados und Überschwemmungen verzaubern, sodass er nicht nur deren, sondern auch seine eigene Energie wieder fühlen kann. Wie sonst nichts kann eine heftige Begegnung mit der vollen Energie der Elemente den Menschen von Angesicht zu Angesicht mit der unglaublichen Macht bringen, der er entstammt.“ (S. 388)

Seth vergleicht Naturkatastrophen mit menschlichen Krankheitssymptomen die „auf den Körper geworfen werden“, sie sind Symptome von „Erdkrankheiten“. So wie der Krieg uns dazu bringt, das Leben zu ehren, so erinnern uns Naturkatastrophen daran, dass wir weder unseren Planeten noch unsere „Kreatürlichkeit“ ignorieren können. Gerade solche Erfahrungen verhelfen uns zu einem Kontakt mit den tiefsten Energien unseres Seins, auch wenn diese „zerstörerisch“ eingesetzt werden. Die Erde, so scheint es demnach, wird derzeit geschüttelt von Fieberkrämpfen mit Pandemie, Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüchen, bis hin zum Artensterben und Klimaerhitzung als Symptomen.

Die Vorstellung „vom Überleben des menschlichen Geschlechts ohne Rücksicht auf die Folgen, die Idee von der Verwandlung der Umwelt im Dienste eurer eigensüchtigen Zwecke (und das) hat euch zur Missachtung spiritueller Wahrheiten geführt. Deshalb seht ihr nun an der physischen Realität die Folgen. Das menschliche Geschlecht muss den Wert des individuellen Menschen schätzen lernen. Seine Abhängigkeit von den anderen Gattungen lernt es jetzt langsam kennen, und es beginnt zu begreifen, welche Rolle es im Gefüge der physischen Realität spielt.

Einige Individuen werden heute einzig zu dem Zweck wiedergeboren, euch die Augen zu öffnen. Sie forcieren die Problematik und forcieren die Krise, denn noch habt ihr Zeit, eure Gewohnheiten zu ändern. Ihr arbeitet gegenwärtig an zwei Problemen, und beide haben mit der Heiligkeit des Individuums und der Beziehung des Individuums zu anderen Individuen und zu allem physisch orientieren Bewusstsein zu tun.“

Die Umwelt in der wir leben, so heißt es weiter, wird, „wenn ihr keine liebevolle Fürsorge zuteil wird, euch nicht mehr ernähren – ihr werdet ihrer dann unwürdig sein. Ihr werdet nämlich nicht den Planeten zerstören. Ihr werdet die Vögel oder die Blumen, das Korn oder die Tiere nicht zerstören. Ihr werdet euch ihrer aber als unwürdig erweisen und werdet selber von ihnen zerstört werden. Im Rahmen eures Bezugssystems habt ihr euch das Problem selber geschaffen. Ihr werdet euren Platz in der Ordnung der Natur nicht finden, bis ihr tatsächlich in der Gefahr seid, diese zu sprengen. Ihr werdet das Bewusstsein nicht zerstören. Ihr werdet nicht einmal das Bewusstsein eines Blattes zerstören, doch innerhalb eures Kontextes würden, falls das Problem nicht gelöst wird, diese Dinge aus eurem Erfahrungsbereich verschwinden.

Die Krise ist jedoch eine Art Therapie. Es ist eine Lernmethode, die ihr euch selbst ausgedacht habt, weil ihr sie braucht. Und ihr braucht sie jetzt, bevor euer Geschlecht sich auf den Weg zu anderen physischen Realitäten macht. Ihr müsst eure Lektion in eurem eigenen Hinterhof lernen, bevor ihr in andere Welten aufbrecht. So habt ihr euch das zu dem Zwecke auferlegt und ihr werdet schon daraus lernen.“ (alle Zitate aus „Von der ewigen Gültigkeit der Seele“, S. 211)

Seth ergänzt und bestätigt nicht nur neue wissenschaftliche Erkenntnisse, welche die komplizierten Beziehungsgeflechte, Kooperationen und Kommunikationen zwischen Zellen, Tieren, Pflanzen und Ökosystemen aufzeigen. Auch die Weltsicht indigener Völker, die auf einem kosmischen Animismus und einer entsprechend starken Identifikation mit der Natur basiert, rückt in den Fokus. Ganz zaghaft erfährt sie heute, zumindest im Naturschutz, neue Aufmerksamkeit. Von ihr können wir lernen, Wege aus der Trennung in die Wiederverbindung mit allem physisch zentrierten Bewusstsein zu finden.

Das ist alles andere als einfach. Trotz meiner Verbundenheit mit der Natur sehe ich immer mehr, wie tief kollektive Vorstellungen und Glaubenssätze der Separation mein eigenes Denken, Fühlen und Handeln prägen und meinen Blick auf die Natur verstellt und verwirrt haben. Es ist ein schwieriger Prozess, sich langsam davon zu befreien und sich auf Verbindung und Heilung zu konzentrieren – wenn doch gleichzeitig das „getrennt sein“ immer und überall so schmerzhaft real zu sein scheint und die entsprechenden Überzeugungen wie in Beton gemeißelt in den Aussagen von Politik, Wirtschaft und Medien stehen. Diese Diskrepanz auszuhalten, sich auf das kosmische Gesetz von Resonanz und Anziehung zu berufen und sich trotz allem auf die ja ebenfalls tatsächlich vorhandene Schönheit, Berührung und Heilung zu konzentrieren, das ist in der Tat ein Kampf, der es wert ist, gekämpft zu werden und der jetzt aufgenommen werden will.

Ein erster Schritt ist das Aufdecken der destruktiven Glaubenssätze gegenüber der Natur, welche auf der Vorstellung basieren, dass „zwischen den Objekten in der Welt und dem Individuum kaum ein Zusammenhang besteht. (…) Die Elemente der Natur (verloren) im Auge des Menschen ihre lebendige Qualität. Sie wurden zu Objekten, die kategorisiert, etikettiert, auseinandergerissen und untersucht werden mussten. (…) Und so vergaß er, sagen wir, in seiner großen Faszination darüber, was die Dinge zum Laufen brachte und in seiner großen Neugier darüber, die Vererbungsweise einer Blume zu verstehen, das, was er (auch) erfahren könnte, indem er an der Blume riecht, sie betrachtete und ihr Sein beobachtete. Und so untersuchte er „tote Natur“. Oftmals musste er Leben töten, um, so glaubte er, dessen Realität zu entdecken. Man kann nicht verstehen, wodurch etwas lebendig gemacht wird, wenn man ihm zuerst das Leben rauben muss. Und als der Mensch daher lernte, die Natur zu kategorisieren, zu nummerieren und zu sezieren, verlor er den Zugang zu ihrer lebendigen Eigenschaft und fühlte sich nicht länger als Teil von ihr. Zu einem bedeutenden Maß verleugnet er sein Erbe, denn der Geist wird in die Natur und in die Seele geboren, und für eine gewisse Zeit weilt er im Fleisch.“ („Die Natur der persönlichen Realität“ S. 89/90)

In diesem Licht der „Welt-als-Ressource“ wird die Natur immer noch wahrgenommen und alles andere wird wahlweise als romantisch, naiv, esoterisch oder unwissenschaftlich abgetan. Die Nummerierung und Bepreisung der Natur wird sogar als Instrument für ihren Schutz propagiert. Vermehrt wird aber auch davon gesprochen, dass wir unsere Beziehung zur Natur wiederherstellen und den Krieg gegen sie beenden müssen. Nach vielen Jahrhunderten des Krieges und völliger Entfremdung erfordert ein Frieden mit der Natur einen tiefgreifenden Wandel im Fühlen, Denken und Handeln. Wenn ich Kraft sammle und mich konzentriere, kann ich sie auch sehen, die vielen zarten Bewegungen auf unterschiedlichsten Ebenen in genau diese Richtung.

Gleichzeitig erscheint mir nur logisch, dass es starke Signale und Krisen braucht und ein kollektives Durchschütteln, damit diese Denkmuster und Überzeugungen aufbrechen und aufgelöst werden können. Zumindest wird es den Wandel zweifellos beschleunigen – auch wenn dies für uns alle sehr schmerzhaft und leidvoll wird. Und damit sind wir wieder bei Polarität und Dualität: Erst durch die Trennung können wir wieder Einheit erfahren – nicht nur als Einzelseele mit unserer Seelenfamilie, sondern auch als Seelenvolk Mensch mit allen anderen Lebewesen und der Erdenseele als Ganzes.

Unsere eigene persönliche Verbundenheit und Identifikation mit der Natur zu beobachten, wiederzuentdecken, zu entwickeln und zu feiern scheint mir daher ein wichtiger Akt zur Unterstützung „der Kräfte in der Welt, die für die Heilung, die Lösung, die Vollendung eintreten“ und gleichzeitig ein Beitrag zur Überwindung unserer ökologischen Krise. Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn sich mehr Menschen, insbesondere auch im Rahmen der Seelenlehre, diesem Thema annehmen würden.